Herausforderungen für pflegende und betreuende Angehörige

vom 21.09.2023

Pflegende und betreuende Angehörige leisten tagtäglich Grosses. Viele unterstützende Bezugspersonen stellen dabei aber ihre eigenen Bedürfnisse zurück, um jederzeit für ihre Angehörigen da zu sein. Das strengt an und laugt aus. Nachfolgend erfahren Sie, weshalb es wichtig ist, dass betreuende Angehörige die eigenen Wünsche nicht aus den Augen verlieren und wie sie das angehen können.

Belastende Betreuungssituationen im häuslichen Umfeld entstehen oft schleichend. Da ist zum Beispiel die alleinlebende Rentnerin, die aufgrund verschiedener körperlicher Beschwerden zunehmend in ihrer Mobilität eingeschränkt ist. Sie zieht sich immer mehr aus dem aktiven Leben zurück, es droht die Vereinsamung. Zudem stellt die Tochter bei ihren Besuchen Unordnung und mangelnde körperliche Hygiene bei ihrer Mutter fest. Obwohl sich die Rentnerin durch ihre Situation psychisch belastet und niedergeschlagen fühlt, lehnt sie die Hilfe der Tochter ab, weil sie niemandem zur Last fallen will. Die Tochter versucht monatelang vergeblich ihre Mutter zu unterstützen und zerbricht fast an den ständigen Konflikten und Auseinandersetzungen. Unter der ständigen Sorge und Verantwortung um die Mutter leidet auch das soziale Umfeld der Tochter. Ehepartner, Kinder und Freunde kommen zu kurz. Die Tochter hat immer mehr das Gefühl, niemandem mehr zu genügen, was Schuldgefühle bei ihr auslöst.

Teufelskreis aus Schuldgefühlen

Doch auch die betagte Mutter hat mit Schuldgefühlen zu kämpfen. Sie ist sich durchaus bewusst, dass sie eine Last für die Tochter darstellt. Nicht mehr die Mutter kümmert sich um die Tochter, sondern umgekehrt. Dieser schleichende Rollentausch ist für beide Seiten sehr belastend. Ganz wichtig in dieser Situation sind ehrliche Gespräche, um den Teufelskreis aus Schuldgefühlen zu durchbrechen. Das erfordert Respekt und Verständnis auf beiden Seiten – vor allem aber auch eine grosse Portion Geduld. Denn der Prozess hin zu einer für alle akzeptablen Situation wird nicht linear nach oben verlaufen. Rückschritte in alte Verhaltensmuster sind normal und als „Lernfelder“ zu verstehen.

Der Weg zurück zum lebenswerten Alltag

Vor allem die betreuenden Angehörigen sollten lernen, auch kleinste positive Veränderungen im Prozess wahrzunehmen. Denn oftmals fällt es älteren, pflegebedürftigen Menschen trotz aller Schuldgefühle leichter, Hilfe aus der eigenen Familie anzunehmen als von externen Stellen. Im oben erwähnten Beispiel lässt die Mutter erst nach vielen Gesprächen die stundenweise Unterstützung im Haushalt durch die Spitex zu, später auch durch einen Pflegedienst. Mit der Zeit knüpft sie eine persönliche Beziehung zu den „professionellen“ Unterstützern und spürt die Entspannung in der zuvor stark belastenden Situation. Sie zeigt sich dankbar der Tochter gegenüber, welche diese positive Veränderung angestossen hat. Das Vertrauen zur Tochter wird wieder stärker und so lässt sich die Mutter auch auf andere Empfehlungen ihrer Tochter ein und wagt den Schritt, zwei Tage in der Woche eine ambulante Tagesstruktur zu besuchen.

Mut zur Selbstfürsorge

Auch für die Tochter ist der Weg zurück zu einem lebenswerten Alltag kein leichter Prozess. Ein erster wichtiger Schritt sind oftmals Gespräche mit aussen stehenden Vertrauenspersonen, um sich den eigenen Bedürfnissen wieder besser bewusst zu werden. Ein gesundes Mass an Selbstfürsorge ist das Mittel, das aus der belastenden und von Schuldgefühlen geprägten Lage herausführt. Oftmals lohnt es sich, genau hinzuschauen, ob Schuldgefühle überhaupt angemessen oder nicht vielleicht überhöht sind. Die eigenen Grenzen erkennen und vor allem auch respektieren ist ein Anfang. Ein nächster Schritt kann sein, sich Hilfe und Entlastung von professioneller Seite zu holen. Denn im Bewusstsein, dass die zu betreuende Person gut umsorgt ist, gelingt es auch wieder, sich Zeit für eigene Hobbies oder vielleicht sogar ein paar Tage echte Auszeit zu nehmen. Der sogenannte „Tapetenwechsel“ kann wahre Wunder bewirken.

Entlastungsangebote für betreuende Angehörige in der Region Zimmerberg bietet zum Beispiel die Pro Senectute Home, der Entlastungsdienst Schweiz Kanton Zürich oder die verschiedenen Spitex-Organisationen. Wenn es darum geht, beim unerwarteten Ausfall einer Betreuungsperson kurzfristig für einzelne Tage eine Lösung zu finden, empfiehlt sich das ambulante Tageszentrum Via in Horgen.

Austauschrunden als stützende Kraft

Als besonders wohltuend empfinden viele pflegende Angehörige den Austausch mit Menschen in ähnlichen Situationen. Gesprächsrunden, bei denen Betreuungspersonen unter sich sind, können eine grosse Stütze sein. Sie helfen, sich mit den eigenen Gefühlen auseinanderzusetzen und sich bewusst zu werden, dass man damit nicht allein ist, weil in der Austauschrunde klar wird, dass andere Betroffene ähnlich empfinden. Die Teilnehmenden erleben dabei, dass für einmal ihr eigenes Wohlbefinden im Zentrum steht und nicht jenes der zu betreuenden Person.
Seit August 2023 bietet deshalb das Tageszentrum Via regelmässige Gesprächsrunden für pflegende und betreuende Angehörige. Im sogenannten „Via-Treff“, der von zwei Fachfrauen aus dem Team des Tageszentrums moderiert wird, geht es einerseits darum Emotionen wie Scham, Angst oder Aggressionen von Angehörigen aufzufangen, andererseits aber auch Erfahrungen und Wissen im Umgang mit beeinträchtigen Familienmitgliedern abzuholen. Die Wertschätzung, welche die Teilnehmenden dabei erfahren, ist erfahrungsgemäss eine grosse Kraftquelle für den weiteren Weg als betreuende und/oder pflegende Person.

Weitere Informationen zu Angeboten für pflegende bzw. betreuende Angehörigen bieten auch www.info-workcare.ch oder www.selbsthilfeschweiz.ch


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